Straßennamen in Gerlingen
212 Straßen, Plätze und bewohnte Gewanne sind in Gerlingen bezeichnet. Die Namen vieler Straße sind ein informativer Querschnitt durch die Geschichte Gerlingens.
Manche Namen erklären sich von selbst, wie z. B. die nach Bäumen benannten Straßen Tannen -, Kiefern -, Pappelweg usw. oder die Vogelnamen: Elster, Habicht, Bussard. Auch die nach Erfindern und Industriellen benannten Straßen wie Gutenberg, Siemens, Max Eyth brauchen nicht erläutert zu werden. Aber welche Bedeutung hat der Schelmengraben oder die Stöckachstraße? Was verbirgt sich hinter der Bezeichnung "Wettegraben"?
Über die Hälfte der 210 benannten Straßen, Plätze und Gewanne sind nach Flurnamen oder nach anderen mit Gerlingen in Verbindung stehenden Dingen (Hügelweg, Steinbruchweg usw.) benannt. Ein Viertel nach Personen, davon 18 nach Gerlinger Persönlichkeiten. Ein weiteres Viertel nach sonstigen Dingen: Ortsbezeichnungen, Blumennamen, Baumnamen, Vogelnamen usw.
Die bisherigen Leiter des Gerlinger Stadtarchivs Otto Schöpfer, Friedrich Schaffert und Agnes Maisch haben viele Belege über die Herkunft der Straßennamen und die Erläuterung der Gerlinger Flurnamen gesammelt. Auf diese Ausarbeitungen stützt sich der folgende Bericht, der als Vortrag von Klaus Hermann, Leiter des Stadtarchivs, vor dem Verein für Heimatpflege (Vereinshomepage) gehalten wurde.
Ergänzt wurden die einzelnen Straßennamenbedeutungen durch neuere Forschungen, insbesondere durch eine Dissertation von Eugen Heck aus Höfingen von 1927, der die Flurnamen mehrerer Orte im früheren Oberamt Leonberg beschreibt. Vorgehensweise: Ort um die Jahrhundertwende danach chronologisch bis zur Gegenwart.
Im alten Dorf gab es keine Straßen sondern nur Gassen. Eine fortlaufende Häusernummerierung bestand, beginnend mit der Nr. 1 dem Widdumhof unterhalb der Kirche, Nr. 3 war die Kirche. Die Nummerierung ging fortlaufend weiter durch das gesamte Dorf. Die höchste Nummer im Jahre 1900 war die Nummer 276.
Als nach vielen Jahren wieder eine Neuschätzung aller Gebäude für die Gebäudebrandversicherungsanstalt anstand, beschloss der Gemeinderat am 4. April 1900, es solle eine neue Nummerierung sämtlicher Gebäude nach Straßen vorgenommen werden. Das Oberamt genehmigte diesen Beschluss am 23. April 1900.
Im Januar und Februar 1901 erfolgte die Neunummerierung sämtlicher Gebäude durch eine Kommission bestehend aus Oberamtsbaumeister Arnold aus Leonberg, Oberamtsbaumeister a.D. Arnold aus Leonberg und Schultheiß Duppel aus Gerlingen.
Straßennamen erhielten nun folgende alte Gassen des Dorfes:
Hauptstraße
bisher Almandgasse oder "Die Gasse" genannt. Sie führte an beiden Enden in die "Almand", die von allen gemeinsam genutzte Gemeindeflur.
Unten im Dorf: Unterhalb Rathaus
Oben im Dorf: Oberhalb Rathaus.
Mitten im Dorf: Um das Rathaus herum
Kirchstraße
oder Kirchgasse (erklärt sich selbst). Vor der Kirche stand bis 1885 die Kelter. Grundriss größer als der der Kirche. Die offizielle Bezeichnung ”Kelterplatz” erfolgte 1988.
Bachstraße
Krumme "Untere Gasse" genannt. Der Bach entspringt im Körnlesbrünnele (Körnle: schlammig, schmutziger Boden) floss in den Ort, überquerte die Urbanstraße und floss auf Höhe des heutigen Geschäfts Godel in die Hauptstraße dort links entlang in die Bachstraße und dann in einem Graben weiter in die Wiesen zum Aispach. Der Graben heißt Erbgraben. Im Volksmund wurde die Bachstraße "Welsches Dörfle" genannt. Französische Soldaten haben Ende des 18. Jahrhunderts dort längere Zeit nach einer mündlichen Überlieferung ihr Biwak gehabt.
Querstraße
Früher Wehrengässle. Rückseiten der zur Kirchstraße gehörenden Scheunen wirkten wie eine Stadtmauer und machten einen wehrhaften Eindruck. In der Kirchstraße 5 wohnten lange Jahre Bäcker, unter anderem auch Bäcker Gärtner. Daher wurde der Weg zwischen Kirchstraße und Querstraße "Beckengässle" oder "Beckenstäffele" genannt.
Schulstraße
Früher Hintere Gasse oder Hundsmarkt (Name ungeklärt). Die Straße verbindet die beiden Schulen. An der Stadtbahnhaltestelle war die "Wette", ein Feuerlöschteich (englisch ”to wet" = naß). Gespeist wurde er durch Wasser vom Pfarrbrunnen. Der Brunnen stand am Pfarrhaus an der Einmündung der Querstraße in die Schulstraße. Nach dem Bau der Wasserleistung war die Wette entbehrlich. Sie wurde 1906 trocken gelegt. Der Abfluss war in einem Graben zum Aispach, dem Wettegraben (1961 benannt).
Badstraße
Platz an dem heute das Rathaus steht. Bereits 1399 war von einem Bader und einer Badstube die Rede. Der Bader war über Jahre hinweg auch Barbier und Chirurg. Möglicherweise wohnte der Bader im Haus Urbanstraße 8.
Bergstraße
"Gollenbergele" oder "Bollenbergele" genannt. Auf der "Hostetsen" noch 1873 erwähnt, dürfte mit der Hospitalscheuer zusammenhängen, die bis 1864 an der Einmündung der heutigen Kirchstraße in die Hauptstraße stand. Das Hospital Stuttgart hatte Grundbesitz in Gerlingen. In der Hospitalscheuer wurden Abgaben gesammelt, die an das Hospital gezahlt werden mussten.
Eltinger Straße
Vordere Gasse führt in Richtung Eltingen über den Forchenrain. Rechts der Eltinger Straße ist ein kleines Gässle dort stehen Häuser dicht beieinander, es gab dauernd Streit "Hader" - daher "Hadergässle".
Hirschstraße
Führt auf das Gasthaus zum Hirsch, in dem früher eine Brauerei bestand. Die Gaststätte war Haltepunkt für einkehrende Fuhrleute und Haltestelle der Postkutsche. Die Hirschstraße hieß zuvor Almosengässle oder Bettelgässle, da dort das Armenhaus stand.
Urbanstraße
Benannt nach der Brunnenfigur des Heiligen Urban auf dem Rathausbrunnen.
Gerlingen hatte 1731 140 ha Wein, heute etwa 7 ha. Die ganze Hanglage vom Forchenrain bis zum Stöckach waren Weinberge. Bis an die Gartenstraße reichten noch 1832 die Weinberge. Der freie Platz hinter dem Rathaus hieß der Tanzplatz.
Gartenstraße
Ecke Gartenstraße/Brennerstraße gab es eine Gärtnerei. Evtl. wurde die Straße danach benannt. Gärten gab es dort keine, sondern Weinberge.
Bildstraße
Früher offiziell "Auf dem Gaiern", im Volksmund Bompelhof. Dort floss das Wasser zusammen. Die Bildstraße wurde nach einem Feldkreuz, einem Bildstock aus vorreformatorischer Zeit benannt. Im Bereich Hägnach stand eine kleine Kapelle, daher der Flurname ”Kappel”, der 1982 für den Kappelweg namensgebend war. In der verlängerten heutigen Jakobstraße am Grundgraben stand wohl ein vorreformatorisches Kreuz. Daher kommt der Name Kreuzbäumle für das dortige Gewann.
Panoramastraße: Zunächst Neue Steige oder Solituder Steige. Man hat einen schönen Panoramablick über Gerlingen. Die Panoramastraße hat drei Kehren.
Kügelesrang
eventuell nach Weinberg, der des "Kügelins Wengert" hieß (Personenname)
Jakobsburg, Kepplersrang, Chinakurve
Der Weingärtner Jakob Weidle (s´Jaköbles) hatte Ende des vorletzten Jahrhunderts ein kleines Haus im Wengert. Daher "Dem Jakob sei Burg". Dem Waldschütz Keppler wurde im November 1930 der Bau eines Hauses in der Panoramastraße 30 genehmigt, daher Keplersrang. Im Oktober 1955 wurde Hansgeorg Hübner aus Stuttgart der Bau des Hauses Burgklinge 13 genehmigt. Da er in seinem Haus Porzellanausstellungen durchführte, beantragte er im Mai 1958, ein Schild mit der Aufschrift "China-Club" anbringen zu dürfen. Dies wurde genehmigt. China-Club-Porzellan ist eine Porzellanmarke ähnlich wie Rosenthal.
Hegnachrang
Hag/Hecke deutete darauf hin, dass die Waldungen gegen das Feld hin durch große Hecken (Dornbusch mittelhochdeutsch "hagen") begrenzt wurden.
Leonberger Straße
Früher "Kaffeegass". Die Frauen der dort wohnenden reichen Steinbruchbesitzer tranken dort Bohnenkaffee statt des üblichen selbst gerösteten Gerstenkaffees mit Zichorie.
Ditzinger Straße
1869/70 gebaut. Gerlingen wollte den Hohlweg, die heutige Jakobstraße, ausbauen. Die Ditzinger die jetzige Trasse. Früher "Bruhweg" genannt. Dies weist auf Feuchtigkeit hin. Der alte Bruhweg führt an den Gerlinger See. Der Gewanname Seewiesen weist auf den Gerlinger See hin, der war 1624 etwa 26 ha gross war. 3700 Karpfen wurden eingesetzt. Der See wurde 1653 verlandet. Die Seedammbrücke ist noch heute erhalten.
Weilimdorfer Straße
Führt Richtung Weilimdorf. Die Häuser wurden früher als "Bei der Kirche" bezeichnet.
Christophstraße
Steinbruchbesitzer Christoph Schweizer baute das Haus Weilimdorfer Straße 15 am Beginn der Christophstraße. Von seinen Steinbrüchen im Krummbachtal wurden Steine u.a. für die Bahnüberführung in Ditzingen geliefert.
Meterstraße
Nach 1870 angelegt. Es ist die erste Straße die nach dem neuen Metermass vermessen wurde. In der Meterstraße 11 wohnte Michael Schöck, der "Metermichel", weil er in einer Gaststätte einen Meter Bier verlangte. Ob es im Schwanen war, der damals in der Meterstraße war oder im Fässle oder gar in einem anderen Gerlinger Gasthaus, ist nicht überliefert.
Soviel zu den Straßenneubenennungen (mit kleinen Ausflügen), wie sie 1900 vorgenommen wurden.
Das Dorf wurde bis zur Jahrhundertwende von einem Zaun umgeben, dem Etterzaun. Er verhinderte, dass Kleinvieh in die Felder hinaus konnte. Der Zaun hatte verschiedene Öffnungen, sogenannte Gattertore. Das Untere Tor war im Norden des Dorfes. 1923 wurde eine Straße so benannt (früher Zielbogensträssle).
An der Eltinger Straße war der Hetzenstiegel (Stiegel: Stelle im Zaun, die von Menschen überstiegen werden konnte, während dem Vieh der Ausgang verwehrt war), Oberes Tor 1923 bei der Gazelle, dem Johannes Rebmann-Denkmal und das Bruckentor 1923 benannt. Der vom Körnlesbrünnele herführende Bach überquerte hier die Gasse. Es handelte sich sicherlich um keine Brücke, sondern um einen einfachen Überweg (Balken).
1803 ist in einem Gerichtsprotokoll von einem ”Weilemer- und einem Laichlesthor” die Rede.
Der Etterzaun war umgeben von einem Weg. 1998 wurde ein noch vorhandener Rest zwischen Gartenstraße und Hirschstraße als "Etterweg" bezeichnet. Von der Weilimdorfer Straße bis zur Ditzinger Straße erhielt der Weg 1998 die volkstümliche Bezeichnung "Wiesengässle". Der Teil von der Weilimdorfer Straße bis zur Schillstraße heißt im Volksmund der Stinkbock (schwäbisch “Stenkbock). Eventuell befand sich dort ein Bockstall.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde 1912 die Jakobstraße benannt. Sie trägt ihren Namen zur Erinnerung an Jakob Maisch, der im Haus Ditzinger Straße 3 wohnte und im Jahre 1900 kinderlos starb. Er hat der Gemeinde 500 Mark mit der Auflage gestiftet, dass die Zinsen alljährlich an seinem Todestag, dem 28. April, an fünf nicht in öffentlicher Unterstützung stehende würdige und bedürftige Familien oder einzelne Personen zu verteilen sind. Jährlich wurden an fünf Personen je 4 Mark verteilt (d. h. 4 Prozent Verzinsung des Guthabens). Das Geld ist in der Inflationszeit verfallen.
1995 wurde in der Waldsiedlung ein Weg ”Käthe-Simon-Weg” genannt, nach Käthe Simon, die der Stadt Gerlingen 260.000 DM stiftete mit der Maßgabe, die Erträge für soziale Zwecke zu verwenden.
Die vielfältigen Beziehungen zur Familie Schiller veranlassten die Gemeinde, eine Straße Schillerstraße zu bezeichnen. Vater Schiller ruht auf dem Gerlinger Friedhof zusammen mit der jüngsten Schwester des Dichters, Christiane Schiller, genannt Nanette. Eine andere Schwester, Christophine, heiratete in der Gerlinger Petruskirche, die dritte Schwester Luise Schiller heiratete den Gerlinger Vikar Frankh.
In den 20er Jahren gab es auch in Gerlingen einen gemeinnützigen Siedlungsverein. Zunächst wurden auf genossenschaftlicher Basis Häuser in der Unteren Torstraße gebaut. Nach der Inflation kaufte der Verein Grundstücke unterhalb der Kirche und baute dort die ersten Häuser der "Siedlung im Wiesengrund".
Die Siedlung wurde begrenzt durch die Feuerbacher Straße (ein Teil des damaligen Bergheimer Weges wurde 1927 so benannt) und den Schelmengraben. In diesem Flurnamen steckt das Wort "Schelm" das nach alten Quellen auch mit Aas, Pest, Seuche übersetzt wird. Der in der Nähe des Schelmengrabens gelegene Schulacker war in Pestzeiten Begräbnisort. Möglich ist, dass daher der Name kommt. Ein heute verdolt fließender Wasserlauf floss früher im Schelmengraben bis zum Aispach.
Ende der 20er Jahre wurden vier Straßen in Gerlingen mit Vornamen bezeichnet, Mathildenstraße, Hermannstraße, Ludwigstraße und Karlstraße. Eine offizielle Begründung für diese Straßenbezeichnungen ist den Aufzeichnungen nicht zu entnehmen. Jedoch wird erzählt, dass die Mathildenstraße ihren Namen nach Mathilde Zimmermann erhalten hat, der Frau des Gemeinderats Gottfried Zimmermann, der als Vorstand des Siedlungsvereins tätig war. Die Hermannstraße hat ihren Namen nach Gemeinderat Hermann Schweizer, der ebenfalls dem Siedlungsverein angehörte.
Die Ludwigstraße, 1928 benannt, führt auf die Schreinerei des Gemeinderats Ludwig Maisch. An der Karlstraße ist der Bauernhof von Karl Gänssle (Christophstraße 32).
Die Bezeichnungen Mesneramt und Hofwiesenstraße weisen auf Güter hin, die zum Kirchengut gehörten. Diese Güter genossen in vorreformatorischer Zeit Zehntfreiheit, aber die Besitzer waren zur Haltung des Faselviehs (Farren, Bullen, Eber, Bock) verpflichtet. Um 1803 wurde ein Grossteil dieser Ländereien säkularisiert, gehörte also zum Hof. Teilweise waren Flächen jedoch noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg in staatlichem bzw. kirchlichem Besitz.
Ende der 20er Jahre wurden Straßen in einem Neubaugebiet am Westrand der Gemeinde nach Persönlichkeiten aus der Gerlinger Geschichte bezeichnet:
Hermann Dreher (Verfasser der Gerlinger Ortschronik), Hans Keil (Gerlinger Weingärtner, der 1648 behauptete, ihm sei im Weinberg ein Engel erschienen) und Johannes Rebmann (Gerlinger Missionar, der als erster Weißer den Kilimandscharo in Ostafrika erblickte).
1987 kamen Straßenbezeichnungen nach Friedrich Schaffert (Rektor, Oberschulrat und Stadtarchivar) und Gottlieb Eisele (Gemeinderat und langjähriger Vorstand des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge) hinzu. 1995 kam der erste hauptamtliche Gerlinger Schultheiß Johann Jakob Mitschelen im Neubaugebiet Gerteisen zu Ehren, indem der Gemeinderat die Mitschelenstraße nach ihm benannte. Er war auch der erste Ehrenbürger Gerlingens.
Ein Lorscher Weg im gleichen Gebiet erinnert daran, dass Gerlingen 797 erstmals in einer Urkunde des Klosters Lorsch erwähnt wurde.
Die Gerteisenstraße erhielt ihren Namen 1929. Im ersten Teil des Namens steckt wahrscheinlich mhd ”gart = Stachel, Treibstecken”. Das Gerteisen, Garteisen wäre dann das spitze Eisen vorn am Treibstecken. Der Name hängt wohl mit der Form der Äcker zusammen, sie werden an einem Ende schmäler.
Die Holderäckerstraße hat ihren Namen nach den Holderäckern. Dieser Flurnamen geht auf das Wort "Holunder" mhd "holder" zurück. In dieser Gegend gab es früher einen Wasserlauf, den "Holdergraben" an dessen Rändern viele Holunderbüsche waren.
Der Flurname Reifle, der 1928 zur Benennung einer Straße führte, wird unterschiedlich gedeutet:
- das Flurstück legt sich im Bogen an den Berghang wie ein Reif
- an kalten Tagen liegt hier lange Reif, weil es sich um eine sehr kalte Nordhangstelle handelt
- am Beginn der Kirchenbücher (Ende 16. Jahrhundert) wird ein "Riflin" auch "Rüflin" geschrieben, genannt. Der Flurname könnte also auch von einem Personennamen abgeleitet sein.
Die Bezeichnung Hasenberg ist nicht eindeutig geklärt. Im Volksmund wird erzählt, dass sich dort die Hasen gesonnt hätten im Gegensatz zum kalten Reifle.
Die Mühlstraße liegt in der Nähe des Mühlwegs bzw. Mühlpfads, auf dem die Gerlinger Bauern ihr Korn zu den Mühlen im Glemstal (Tonmühle, Fleischmühle usw.) führten.
Die Krummbachtalstraße führt entlang dem gleichnamigen Tal und wurde 1894/95 ausgebaut, damit die Steinbrecher im unteren Krummbachtal ihre Steine besser transportieren konnten. Der Name kommt nicht etwa von dem krummen Lauf des Baches. Früher hieß der Bach ”Gruonenbach”; gruon gleich grün, also ein Wasserlauf durch Wald und grüne Wiesen.
Die Mahdentalstraße führt über Gerlinger Gemarkung. Die Gemeinde beteiligte sich in den 20er Jahren am Bau der Straße. Der Name rührt von einmähdigen Wiesen her, die nur einmal im Jahr gemäht werden. Einer anderen Deutung zufolge werden die der Aufbereitung harrenden umgehauenen Reisigteile auch "Mahden" genannt.
1926 baute Gastronom Dümke ein Gasthaus auf der hinteren Heide. Bei der Suche nach einem Namen schlug ihm Gemeindepfleger Hohly vor, das Gasthaus "Zur Schillerhöhe" zu nennen. In unmittelbarer Nähe wurde 1908 der Schillerstein aufgestellt, dessen Marmorrelief der Steinhauer Gottfried Ludmann schuf. Auf einer Karte von 1664 heißt das Gebiet "Schnatzenberg". Der Name des Gasthauses übertrug sich auf den gesamten Gemeindeteil. Die dort in den 30er Jahren geschaffenen neuen Wege wurden nach Singvögeln Amsel-, Drossel-, Finken- und Meisenweg genannt. Im Unterschied dazu die Greifvögelnamen im Hägnach Bussard, Elster, Falken, Habicht und Sperber.
In den 30er Jahren wurde die Schillerhöhe nach Westen Richtung Leonberg erweitert. Die dortigen Straßennamen sind eine wahre Fundgrube der Gerlinger Stadtgeschichte. Die zentrale Sammelstraße wurde nach dem dortigen Waldgebiet Bopserwaldstraße genannt. Im 14. Jahrhundert ist ein Familienname Bopser in Gerlingen und Ditzingen erwähnt. Von diesem könnte der Flurname abgeleitet worden sein.
Die Talstraße hat ihren Namen nach dem Flurnamen Tal, einer der drei heute noch vorhandenen Weinberglagen (Tal, Rote Halde und Lettlenberg).
Der für den Haldenweg namengebende Flurname Halde (=Hang) rührt von Bergabfall, Geländeabfall her. Die Flur Rote Halde hat rote Merkel- und Sandsteinschichten. Der Haldenweg führt jedoch nicht durch die Flur "Rote Halde".
Der Name Füllerstraße kommt vom Flurnamen "Filder", einem alten Plural zu Feld. Der Name deutet auf bewirtschaftetes Gelände also Äcker, Wiesen oder Weinberge hin. Der Forchenrain enthält die Baumbezeichnung Föhre (Forche, Rotkiefer). In diesem Bereich dürften lange Zeit Forchen gestanden haben. Das Grundwort ”rain” bezeichnet eine geringe Bodenerhebung mit steilem Abfall auf einer Seite, die meist eine ungepflügte, grasbewachsene Grenzlinie eines Ackers bildet. Hier könnte der Übergang vom Wald in die Weinberge gemeint sein.
Der Flurname Sommerrain lebt in einem Straßennamen fort, ein anderer Flurname heißt Winterrain.
Im Zusammenhang mit der Gerlinger Heide stehen die dort befindlichen Straßen Hermann-Löns-Straße (nach dem Heidedichter), Lerchenweg (Heidelerche), Heideweg und Heidewinkel.
Der Steinbruchweg (1967 benannt) führte in einen der zahlreichen Steinbrüche im Forchenrain, in denen bis um die Jahrhundertwende roter Schilfsandstein gebrochen wurde. Aus Gerlinger Stein wurden der Eisenbahnviadukt in Bietigheim und vermutlich auch der Pragtunnel in Feuerbach gebaut. Auf Ochsenkarren wurden die Steine dorthin transportiert, über den Steingrübenweg. Im Keuperweg hat sich der Name der in diesem Gebiet vorkommenden geologischen Formation erhalten.
Die Bezeichnung Im Köngemann könnte von einem Personennamen herrühren.
Die Wolfsschlucht erinnert daran, dass es in unserer Gegend auch in früherer Zeit Wölfe gab. Der letzte Wolf wurde 1846 in Gerlingen gesichtet.
Bonholz ist ein alter Flurname für ein Vorholz, ein vor dem zusammenhängenden Wald gelegenem Waldstück. Bon, Bohn hat mit Bom, Baum zu tun. Es kann sich auch um eine waldartige Anlage von Obstbäumen handeln. Der Flurname Grimmle deutet auf Winkel oder Schlucht hin. ”Grimm” ist gleichbedeutend mit Schlucht oder Enge, einem zusammengedrückten (gekrümmten) Gelände. Das enge Tal dort ist vielfach gewunden.
Der Flurname ”Im Brückle” weist auf die Überwindung eines Wasserlaufes hin.
Die schon früher als Weg vorhandene Leonberger Straße überquert in diesem Bereich den Grundgraben.
Der Name ”Hertling” ist wohl mit dem harten Boden dort in Zusammenhang zu bringen.
Nach 1933 war es in vielen Orten üblich, Straßen nach Größen des Dritten Reichs zu benennen. So wurde bereits im April 1933 in Feuerbach Straßen nach Hindenburg, Hitler und Reichsstatthalter Murr benannt. In Gerlingen wurden erst 1937, vier Jahre nach der Machtergreifung, Straßen nach NS-Größen benannt. Hierfür wurden die Straßen vorgesehen, die nach dem Ortsbauplan von 1929 als Erweiterung der Siedlung im Wiesengrund vorgesehen waren.
Es wurden benannt:
Mergenthaler Straße nach dem Württ. Ministerpräsidenten (heute nBettäcker-/Keimenäckerstraße)
Herbert-Norkus-Straße (heute Goethestraße)
Jonathan-Schmidt-Straße nach dem in Leonberg wohnenden Württembergischen Innen-, Jusitiz-, und Wirtschaftsminister (heute Hofwiesenstraße)
Horst-Wessel-Straße (heute Karlsbader Straße)
Schlageter-Straße nach dem Freikorpskämpfer Leo Schlageter (heute Uhlandstraße)
Ernst-Weinstein-Straße (heute Hölderlinstraße)
Gregor-Schmitt-Straße (heute Schubartstraße)
Wilhelm-Neth-Str. (heute Teil der Hasenbergstraße zwischen Jahn- und Urbanstraße)
Die Ludwigstraße wurde in Hermann-Göring-Straße umbenannt.
Interessant ist, dass in Gerlingen keine Straße nach Hindenburg, Hitler oder Murr benannt worden ist.
Nach dem Krieg wurden die Straßen in der Siedlung nach Dichtern benannt. Die meisten Umbenennungen gab es bei der Karlsbader Straße. Zunächst hieß sie Horst-Wessel-Straße. 1945 wurde sie in Friedhofstraße umbenannt. 1949, um Verwechslungen mit dem Friedhofweg zu vermeiden, in Wielandstraße, nach dem Dichter Christoph Martin Wieland. 1958 benannte sie der Gemeinderat um in Karlsbader Straße, in Erinnerung an die vielen in Gerlingen wohnenden Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland. Ein Jahr später wurde die Budapester Straße benannt, zur Erinnerung an die vielen ungarndeutschen Vertriebenen.
Doch zurück zu 1937. Neben den NS-Größen benannten die Gemeinderäte im Bereich Hasenberg Straßen nach gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs, nach Otto Weddigen, Immelmann, Boelcke und Richthofen. Als 1945 bzw. 1949 die nach NS-Größen benannten Straßen in der Siedlung umbenannt wurden, gab es über diese vier Straßennamen keine Diskussionen. Sie blieben bestehen. Diskussionen im Gemeinderat in den 60er und den 80er Jahren, Umbenennungen vorzunehmen, wurden jeweils abgelehnt.
1985 wurde der Platz vor der kath. Kirche nach Maximilian Kolbe und der Platz vor der Evangelischen Matthäuskirche nach Dietrich Bonhoeffer benannt.
Weitere nach Flurnamen in der Siedlung benannte Straßen sind:
Brennerstraße: bis hierher gingen im vorletzten Jahrhundert die Weinberge. Der Name deutet auf einen hitzigen Boden, mit wenig Humus hin. Eine andere Deutung, dass es sich hierbei um ein Gelände, das durch Brand gerotet wurde handele ist sehr unwahrscheinlich. 1350 ist ein "Agger, der des Brenners war" erwähnt. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Flurname aus einem Personennamen entwickelt wurde. Die Bettäckerstraße wurde nach den Bettäckern benannt. Volksmäßig und mhd. gilt Bett für Beet (nicht nur das Gemüsebeet), schwäbisch auch "Ländle".
Die einzelnen Äcker, die bis zur Weilimdorfer Straße gingen, waren deutlich ausgeprägt durch tiefe Furchen, die dem Ablauf des Wassers dienten.
Die Keimenäckerstraße hat ihren Namen vermutlich nicht vom Vorgang des Keimens, sondern von einem 1350 genannten Grundbesitzer "Kym".
Der Flurname Stöckach, der der Stöckachstraße den Namen gab, kommt von den Stöcken (Stumpen) eines abgeholzten Waldes. In diesen Fluren standen kleine Bäume, Aspen, Zitterpappeln, kleine Eichen die für den Häuserbau abgeholzt wurden.
Der Boden im Steinbeiß besteht aus Geröll und Hangschutt vom Stöckachwald und nichts mit dem Personennamen Steinbeiß zu tun. Auf den dortigen Äckern ”beißt man auf Stein”.
In der in den 50er Jahren entstandenen neuen an Stuttgart angrenzenden Wohnsiedlung Gehenbühl gibt es neben dort vorhandenen Baumnamen einige Flurnamen, die in Straßenbezeichnungen weiterleben. Gehenbühl bezeichnet einen Hügel mit steilem Abhang:
- geh: jäh, plötzlich
- bühl: Hügel
Die Laichlestraße hat nichts mit Froschlaich zu tun sondern deutet auf einen feuchten Grund, mit leichtem Gehölz hin. Dort befanden sich sehr schlechte Äcker.
Der nach Stuttgart angrenzende Weg wurde Grenzweg benannt. Der Flurname Breitwiesen kommt von den ausgedehnten großen Wiesenflächen ohne Bäume, hat also mit breit nichts zu tun. Die Ganswiese war eine Gänseweide. In den Ganswiesen wurde von Herzog Carl Eugen ein Tiergarten errichtet, ein Teil der Ganswiesen gehörte zu Ditzingen.
Auf dem Herdweg wurde das Vieh der Ditzinger zur Waide in den Gerlinger Wald getrieben. Das Vieh weidete bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Wald. Der Wald war früher als Weideland genauso wichtig wie für die Holznutzung. Teile des Waldes durften nicht beweidet werden, waren also gebannt. Daher der Name Bannwaldweg für einen kleinen Weg hinter der Hauptverwaltung der Firma Bosch.
Im Gehenbühl wurden bei den Bauarbeiten vorzeitliche Funde gemacht. Man fand aus der Hallstattzeit Hügelgräber der Kelten. Daher diese Straßenbezeichnungen.
In den 50er Jahren wurde das Gebiet Hägnach bebaut und eine Straße Hegnachweg genannt. Bereits erwähnt wurde, dass Hag/Hecke darauf hin deutet, dass die Waldungen gegen das Feld hin durch große Hecken (Dornbusch mhd. "hagen") begrenzt wurden. Seltsamerweise wird der Flurname Hägnach mit ä, der Straßenname Hegnachweg jedoch mit e geschrieben.
Die Herkunft des Flurnamens Stahler ist nicht geklärt. Otto Schöpfer vermutete dort einen Schützengarten der Armbrustschützen. In Gerlingen ist jedoch nichts derartiges urkundlich bekannt.
Vogelsang ist ein oft vorkommender Gewanname am Wald.
Im Aspergle könnte der Personenname ”Asperger” stecken. Vielleicht stammte der Besitzer aus Asperg und man nannte ihn den Asperger.
Die Herkunft von Teuremertal kann ebenfalls ein Personenname sein. 1350 ist im Lagerbuch ein ”Cuentzelin Türer” verzeichnet.
Auch Gerlingen besaß in früherer Zeit einen Ortsadel, der vor 1226 auf der Burg Richtenberg auf dem Schlossberg residierte. Die Burg wurde 1311 zerstört.
Straßennamen, die auf die ehemalige Burg hindeuten sind die Burgklinge und der Schlossberg.
Ob der Hirschberg und der Rappenberg ihren Namen von der Weidefläche für Hirsche und Rappen haben ist nicht überliefert, es könnten auch Personennamen (Rapp?) darin stecken. Als Fahrweg zur Burg Richtenberg konnte die Wagensteige benützt werden. Vor dem Bau der Panoramastraße war jedoch die Alte Steige Hauptverbindungsweg vom Dorf auf die Höhe und in den Wald.
Das Gerlinger Tor hinter der ehemaligen Post auf der Schillerhöhe hat seinen Namen durch ein Tor im herzoglichen Tiergarten. Herzog Carl Eugen hat viel Wild in den Wäldern um Schloss Solitude gehalten. Die Landwirtschaft klagte zunehmend über Wildschäden. Daher wurden die Tiergärten mit Bretterzäunen umgeben. Der Durchgang Richtung Gerlingen hieß das Gerlinger Tor.
In den 60er Jahren wurden auf der Höhe weitere Straßen benannt: so der Hohewartweg, der seinen Namen von der gleichnamigen Flur ableitet (Hohe Warte: Ausschau).
Nach Prof. Hermann Missenharter, dem Schriftsteller und Theaterkritiker, der als einer der ersten sein Haus auf dem Gerlinger Bopser erbaute, wurde ebenfalls ein Weg benannt.
In der Waldsiedlung kam Professor Fritz von Graevenitz zu Straßenehren, der Maler und Bildhauer und Ehrenbürger Gerlingens, der u.a. den Löwen auf dem Schlossberg, die Gazelle, den Rösslesbrunnen, das Gefallenendenkmal an der Petruskirche und andere Kunstwerke geschaffen hat.
Der Nanetteweg in der Waldsiedlung ist nach der Schwester von Friedrich Schiller Christiane, genannt Nanette Schiller, benannt, die auf dem Gerlinger Friedhof bestattet ist.
Lange Zeit wurde als Deutung für den Namen Studentenallee angenommen, da die Studenten der Herzoglichen Hohen-Carls-Schule von der Solitude dort spazieren gingen. Das Studentenbäumle ist bereits 1768 genannt, die Hohe-Carls-Schule wurde erst 1770 gegründet. In neuerer Zeit wurde nun festgestellt, dass die Lateinschüler von Leonberg, die auch "Studenten" genannt wurden, evtl. den Baum gepflanzt haben könnten, der Studentenbäumle genannt wird und der gleichnamigen Allee ihren Namen gab.
Im Westen Gerlingens gibt es noch die Lontelstraße, deren Namen mit Lehm zusammenhängt. Lontel wird eine flache Erhebung genannt, in der Löss metertief steht. Daher kommt auch der Name der Leimengrubenstraße. Die Hafner und Ofensetzer holten sich dort ihren Lehm.
Die Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Vesoul führte zu einer Vesouler- und einer Robert-Schuman-Straße.
1966 wurde die Ringstraße benannt, die ursprünglich als Westumgehung Gerlingens geplant war. Diese Planung wurde später aufgegeben und die Straße in drei Abschnitte unterteilt.
In den Gewerbegebieten im Osten der Stadt wurden Straßen nach Industriellen, Daimler, Benz, Max Eyth, Diesel, Carl Zeiss, Gutenberg u.a. benannt.
Im Gebiet Fesenwengert wurden zwei Straßen nach Otto Schöpfer und Johannes Zimmermann benannt.
Im Gebiet Bergheimer Weg wurde eine Straße zu Ehren von Jakob Bleyer, dem ungarischen Nationalitätenminister, benannt.
Um alte Flurnamen zu erhalten sind 1992 folgende Wege benannt worden:
- Fesenwengertstaffel (im ersten Namen steckt "Vesen" = Getreidehülse, Dinkel, Spelt. Mittelhochdeutsch beduetet "vese" bildlich "das Geringste". So kann der Name mit dem wenig ergiebigem Boden zusammenhängen)
- Gröninger Weg (Flurname Gröningen; "der Gröninger" wird als Personenname genannt, vermutlich ein von Gröningen bzw. Markgröningen kommender)
- Gündlensbach Weg (eventuell Personenname "Güntlin". Der Beutenbach fließt in dieser Gegend. Mittelhochdeutsch "gumpe" bedeutet tiefe Stelle in einem Gewässer)
- Lomersen Weg (dem Lomer gehörend? eventuell Personenname)
Ausgrabungen aus der Römerzeit an der Mittleren Ringstraße führten 1988 zur Straßenbezeichnung Römerweg.
Eine der letzten Straßenbenennungen nahm der Gemeinderat am 4.11.1998 vor. Auf Antrag der Kolpingfamilie wurde der Weg südlich des Breitwiesenhauses als ”Adolph-Kolping-Weg” benannt.
Dies war ein Streifzug durch die Herkunft und Bedeutung vieler der 210 Straßenbezeichnungen auf unserer Markung. Glücklicherweise konnten zahlreiche Flurnamen durch Straßenbezeichnungen erhalten werden. 1998 wurden an 18 Straßennamentafeln Erläuterungen angebracht, die in kurzen Worten die Herkunft des Straßennamens erläutern. Hierbei wurde einer bereits sehr lange zurückliegenden Anregung des früheren Stadtrats Walter Blumhardt gefolgt.