Lokales Vorbild zur Solarenergie
Ein gutes Beispiel aus Gerlingen
Dr. Hans-Roland Schmitt, Facharzt für Innere Medizin, interessiert sich nicht nur für die Gesundheit des Menschen, sondern auch für die Gesundheit des Klimas. Als engagierter Bürger lebt er in einem Plus-Energie-Haus und nutzt die Sonne sowohl zur Erzeugung von Wärme als auch von Strom.
Er ist heute unser gutes Beispiel aus Gerlingen. Dafür haben wir Dr. Schmitt gebeten, uns Fragen rund um das Thema Solarenergie zu beantworten. Seine Antworten finden Sie im folgenden Interview (Oktober 2021):
Herr Dr. Schmitt, woher kommt Ihre Leidenschaft für den Klimaschutz?
Es ist weniger Leidenschaft als vielmehr die Verantwortung, die wir Menschen gegenüber uns und gegenüber der Erde, die wir bewohnen, haben. Daher hatten wir damals als junge Familie mit zwei kleinen Kindern beschlossen, den Energiebedarf unseres im Bau befindlichen Hauses (mit Ausnahme eines Kamins im Winter aus Behaglichkeitsgründen) ohne fossile Energiequellen zu decken.
Erzählen Sie doch ein bisschen von Ihrem Weg zum Plus-Energie-Haus. Wie kam es dazu? Was haben Sie für Maßnahmen ergriffen? Wo sehen Sie Hürden und wo auch Vorurteile gegenüber erneuerbaren Energien?
Voraussetzung für ein Null- oder Plus-Energiehaus ist eine Niedrigtemperaturheizung, also zum Beispiel eine Fußbodenheizung mit Vorlauftemperaturen von 36 Grad. Die Energie beziehen wir aus einer Luftwärmepumpe (die etwa so funktioniert wie ein Kühlschrank – nur anders gepolt). Erdwärmepumpen sind effektiver. Diese gibt es auf zwei Arten: über eine Tiefbohrung, die in Gerlingen wegen des Keupers in den unteren Gesteinsschichten (siehe Engelbergtunnel) nicht in Frage kommt, oder über horizontale Flüssigkeitsschleifen im Garten in wenigen Metern Tiefe. Dies hätten wir vorgezogen, war uns aber aufgrund des Baugebiets mit der dortigen Verpflichtung der Erhaltung der bestehenden Bäume nicht möglich.
Zwei Jahre nach der Fertigstellung unseres Hauses haben wir dann 12 Quadratmeter große solare Wärme-Panels auf dem Dach installiert, die unsere Wärmepumpe unterstützen. Zeitgleich haben wir eine Photovoltaikanlage (PV) von 50 Quadratmetern Größe flach auf unserem 10 Grad nach Norden geneigten Pultdach errichtet. Anfang der 2000er Jahre waren die Installationstechnologie und die Regelung der Komponenten jedoch noch schlecht aufeinander abgestimmt, was uns viel Ärger und Reparaturbedarf verursacht hat.
2019 fiel ein Wechselrichter für die Photovoltaikanlage aus. Im Rahmen unserer Recherche erfuhren wir, dass sich die Effektivität der Photovoltaikmodule in den letzten 20 Jahren aufgrund besserer Absorptionseigenschaften des Lichts verdoppelt hatte - am Photoeffekt ändert sich ja physikalisch nichts. Dann war es eigentlich ganz einfach. Mit dem heutigen Wissensstand der Installateure haben wir die alte Photovoltaikanlage vom Dach genommen und eine neue installiert. Diese produziert nun im Vergleich zur vorherigen das Doppelte an Strom. Die alte Anlage konnten wir in Kooperation mit unserem Nachbarn auf das gemeinsame Garagendach versetzen. Dort kann diese nun zur Stromerzeugung für später eventuell betriebene Elektrofahrzeuge genutzt werden.
Moderne Photovoltaikanlagen lassen sich inzwischen durch den Besitzer selbst, aber auch über Fernwartung des Großhändlers problemlos überwachen. Seit der Installation müssen wir uns daher um nichts mehr kümmern. Ein einziger Zähler im Keller erkennt, wann unser Haus Strom braucht, und ob wir diesen aus unserer eigenen Produktion entnehmen können, oder ob wir ihn von der EnBW beziehen müssen. Momentan liefern wir den von uns produzierten aber nicht selbst verwendeten Strom an die EnBW, um keine Batterien oder Akkus vor Ort bereitstellen zu müssen.
Nun sind wir in der komfortablen Situation, dass die solare Wärme ohne Ausfälle in 18 Jahren circa ein Drittel unserer benötigten Heizenergie erzeugt (Brauchwasser und Heizwassertemperatur). Die jetzige Photovoltaikanlage steuert den Rest bei, versorgt das ganze Haus mit Haushaltsstrom und liefert zudem noch überschüssigen Strom, den wir der EnBW zur Verfügung stellen.
Bei der alten Photovoltaikanlage fiel erst nach 17 Jahren ein Modul aus. Die Effektivität sank um weniger als 5 Prozent über den genannten Zeitraum. Die Garantie der neuen Anlage ist auf 25 Jahre gewährt.
Die Wärmepumpe für das Heiz- bzw. Brauchwasser haben wir im Keller installiert, um störende Geräusche für die Nachbarn zu vermeiden. Im Zuge der Renovierung der Anlage haben wir diese ebenfalls getauscht. Heutige Anlagen sind jedoch wesentlich leiser und lassen sich damit auch ohne relevante Lärmerzeugung an der Außenseite des Hauses aufstellen.
Bezüglich etwaigen Risiken und Vorurteilen: Die Module können weder explodieren noch erhöhen Sie das Brandrisiko. Sie sollten jedoch gegen Blitzschlag geerdet sein. Im Allgemeinen hat sich die Technologie stark verbessert und die Benutzerfreundlichkeit, die früher problematisch war, ist mittlerweile stark vereinfacht.
Worin sehen Sie die großen Vorteile von Photovoltaik und Solarthermie?
Es sind saubere Energien mit einer extrem langen Lebensdauer. Außerdem ist es für uns motivierend zu sehen, dass wir mit der eigenen produzierten Wärme heiß duschen und dass wir ohne schlechtes Gewissen Strom im Haus verbrauchen können. Hinzu kommt die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Kernkraftwerken aus In- und Ausland.
Die Kosten für die Anlagen fallen, aber ebenso die Einspeisevergütung. Lohnt sich eine PV-Anlage bei einem Einfamilienhaus wie Ihrem dennoch?
Vorneweg die Finanzierung, denn das ist die Voraussetzung für jeden Bürger. Leider wissen viele nicht, dass man mit einer selbstgenutzten Photovoltaikanlage viel Geld verdient. Die Einspeisevergütung ist zwar gering, aber man muss nicht mehr den Strom, den man selbst produziert, für 30 Cent einkaufen.
Bei Einfamilienhäusern sind die Anschaffungskosten nach ungefähr 12 bis 14 Jahren amortisiert. Danach hat man weitere 11 bis 13 Jahre Garantie und verdient Geld. Wenn man die Anschaffungskosten scheut, kann man einen (aktuell fast zinslosen) Kredit aufnehmen. Die Tilgung besorgt die Sonne.
Die solare Wärme ist noch wesentlich kosteneffizienter. Die Anschaffungskosten sind nach ungefähr 10 bis 15 Jahren amortisiert. Es entstehen kaum Wartungskosten und sie läuft über Jahrzehnte.
Steuer, Wartung, Überwachung – vielen ist eine Solaranlage auch einfach zu kompliziert. Wie sind Ihre Erfahrungen? Wie viel Aufwand war zur Installation und sind beim Betrieb der Anlagen erforderlich?
Über die Probleme aus den Jahren um 2000 bis 2010 habe ich oben bereits gesprochen - damals brauchte es Nerven, aber das ist Geschichte. Heutige Photovoltaikanlagen erfordern eigentlich keinen Aufwand an Überwachung. Das übernimmt der Installateur und es sollten aus eigener Erfahrung keine Wartungsarbeiten anfallen.
Aktuell schwierig war der hohe Aufwand bei der Beantragung der Anlage beim Netzbetreiber, insbesondere beim Umzug der alten Anlage vom Wohnhausdach auf das Garagendach. Das war bisher noch nicht sehr bürgerfreundlich umgesetzt. Auch die zeitnahe Installation eines Verteilerkastens an der Garagenwand war mühsam und wurde so nicht umgesetzt. Es gibt jedoch immer mehr Initiativen und Ansätze, hier eine Vereinfachung der Prozesse zu erreichen.
Für das Finanzamt fungieren wir nicht als Energieerzeuger, sondern als Eigenverbraucher, daher fallen bei uns keine Steuerrechnungen an.
Wie funktioniert es bei Ihnen mit dem Eigenverbrauch und der Einspeisung?
Das übernimmt der Zähler der Netze BW. Die Kontrolle, sofern gewünscht, geht bequem vom Laptop aus, ist aber nicht notwendig. Das ist mittlerweile optimal gelöst und auch für technisch nicht Begabte völlig unproblematisch.
Überschüssiger Strom geht in das deutsche Netz. Benötigt das Gebäude eigenen Strom, wird dieser direkt in das Gebäude geliefert (= Differenz zur Produktion). Reicht die Photovoltaikanlage nicht aus, erhält das Gebäude Strom von Netze BW.
Haben Sie einen Geheimtipp, was man unbedingt beachten sollte, wenn man eine PV- oder Solarthermieanlage anschafft?
Man sollte sich bei Neubauten am besten auf eine Firma einigen (Photovoltaik), die die gesamte Installation samt der Anschaffung der Module, der Wechselrichter und der Überwachungsanlage organisiert.
Bei der solaren Wärme benötigt man einen kompetenten Heizungsinstallateur und einen Hersteller, der die Wärmepumpe samt Unterstützung durch solare Wärme inklusive funktionierender Regelung für die Heizungsunterstützung anbietet.
Photovoltaikanlagen sind weitgehend unabhängig vom Dachwinkel. Unsere Module sind sanft gegen Norden geneigt. Das macht aber nur einen Wirkverlust von maximal 15 Prozent zum optimalen Einfallswinkel aus.
Auch Verschattungen durch Kamin oder Bäume spielen heute mit der Technologie der Bypass-Dioden (die das Problem der in Reihe geschalteten Photovoltaikmodule umgeht) keine Rolle mehr, sodass das Dach komplett ausgelegt werden kann.
Anders ist es bei der solaren Wärme. Wenn man seinen Körper sonnen will, muss man sich möglichst senkrecht zu den Sonnenstrahlen legen. So ist es bei der Ausrichtung der Solarthermie ebenfalls: Die solaren Wärmemodule sollten einen Winkel haben, der in Richtung Sonne zeigt. Darauf ist beim Neubau für die Dachkonstruktion zu achten.
Bereits in den Übergangsjahreszeiten wird die solare Flüssigkeit aufgrund des Brennglaseffekts der Module bereits 60 Grad Celsius warm, auch wenn es draußen an sonnigen Tagen nur 10 Grad Celsius warm ist, und unterstützt dadurch bereits relevant die Heizungswärmeproduktion.
Sie haben nun die Möglichkeit: Was möchten Sie Ihren Gerlinger Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit auf den Weg geben?
Mit Photovoltaikmodulen lässt sich auf einfache und saubere Weise eigener Strom gefahrlos produzieren und auch Geld verdienen. Sie sind notwendig für den Klimaschutz. Jeder sollte angesichts der aktuellen Erderwärmung ernsthaft darüber nachdenken, eine solche Anlage zu installieren.
Solarthermie ist auf den Quadratmeter Modul gerechnet noch effektiver, stromfei, wartungsfrei und schlicht genial. Diese hat aus unserer Sicht noch den Vorrang vor Photovoltaik, wenn die Winkelausrichtung der Module es zulässt.
Je mehr Strom man tagsüber benötigt, umso schneller sind die Investitionskosten amortisiert. Daher sollten öffentliche bzw. kommunale Gebäude (Rathaus, Schulen), Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Betriebe dies nutzen.
Aber auch für einen Privathaushalt lohnt sich eine solche Anlage finanziell und aus klimapolitischer Verantwortung in hohem Maße.